Freestyle am Flugtaubenhimmel

 

Kelebek

Heute kennen wir in Europa eine enorme Zahl an Flugtaubenrassen.

Man kann sagen :

Noch nie wurde so viel geflogen !

Zu verdanken ist das der Tatsache, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die Flugtaubenszene mit ausländischen Taubenrassen bereichert wurde. Bis dahin-vor und nach dem Krieg –schien die Welt geordnet, und zwar nach Flughöhe und Flugdauer, sowie nach Hochfliegern und Purzlern, die dieses Stichfliegen in Perfektion beherrschten. Bis dann in den 1960er und 1970er Jahren neue Rassen hinzukamen und sich dieser Trend verstärkte, weil man das Flugkasten-Fliegen kennen lernte. In neuerster Zeit kommen einige arabische Taubenrassen hinzu, die als Truppflieger in ihrer Heimat geflogen werden, jedoch bezüglich Raffinesse und Flugfiguren kein Erstaunen hervorrufen, wie es in den Siebzigern, die türkischen Tauben verursachten. Die sich überschlagenden Klatschtümmler und Sturzflugtauben machten Furore und deutlich, dass  die türkischen Taubenzüchter den Kunstflug ihrer Tauben vortrefflich beherrschen. Durch neue Kenntnisse, konnte man Rassen besser zuordnen, was der Arbeit in den Flugtaubenvereinen und den ausländischen Taubenfreunden, die zur Aufklärung beitrugen, zu verdanken ist. Eine solche, vielleicht Anfangs nicht ganz durchschaubare Rasse war der Kelebek. Die Kelebek sind schlicht wirkende Tauben mit kurzer Bein-bzw. knapper Zehenbefiederung. Eine bescheidene Besonderheit der ansonsten normal, etwas gestreckt gebauten Kelebek sind die leicht gewölbten Schwänze mit zumindest 14 Steuerfedern. Es gibt die Rasse in mehreren Zeichnungsarten und Farbschlägen, doch zu diesem untergeordneten Aspekt der Flugtaubenhaltung später mehr. Im Aussehen sehen die Kelebek anderen Rassen ähnlich, den Dunek, mazedonischen Sturzfliegern und den ebenfalls türkischen Dolapci, die einen ähnlichen Flugstil haben, weshalb die Rassen zu einer Rassengruppe gerechnet werden, die höchst wahrscheinlich gleichen Ursprungs ist. Ihre Heimat haben die Kelebek in der Westtürkei. In Istanbul und den südlich davon gelegenen Städten(zumindest wurde aus diesen berichtet)sind sie stark verbreitet, darüber hinaus sind sie nach den Klatschtümmlern, den „Takla“ (Taqla),die am weitesten verbreitete Rasse. Das verwundert nicht, denn die Kelebek und seine Verwandten sind allesamt pflegeleicht und vermehren sich mit einem selbstverständlichen Urinstinkt. Außerdem sind diese Rassen aufgrund der Selektion umgängliche Tauben, die sehr zutraulich  werden und bei entsprechendem Umgang, das Futter aus der Hand fressen. Diese Vertrauensbasis zwischen Taube und Züchter ist auch eine Notwendigkeit, wenn man zusammen arbeitet. In der Taubengruppe finden sich die Tauben gut zurecht. Ausreichend Sitzplätze müssen vorhanden sein, um Streitereien vorzubeugen. Gehalten werden die Kelebek in einem ebenerdigen Schlag, aus dem und in den sie nach türkischer Tradion mit einem Stock getrieben werden. Die Tauben sollen bodengewöhnt sein und nicht wild hinein oder hinaus  fliegen. Für die fliegenden Tauben ist die Taubengruppe, die hinausgetrieben wird, ein Zeichen, dass der Flug beendet wird, und sie landen auf dem Boden vor dem Schlag. Es geht natürlich auch anders, mit einem Dropper (Locktaube),oder der Züchter holt sich die Tauben vom Himmel ,zum Beispiel mit einer gut erkennbaren Futterdose(es wird auch von einem weißen Taschentuch als Zeichen berichtet),wobei allerdings das Missverständnis entstehen kann, dass die Tauben die reine Anwesenheit des Züchters als Landezeichen auffassen. Odemann meint 1995 in der Geflügelbörse : „Man sollte sich aber nicht anfliegen lassen oder aus der Hand füttern. Die Tauben landen dann gern auf dem Züchter und fliegen ungern, immer in der Erwartung von Extrafutter .“ Deshalb ist es meines Erachtens besser (auch origineller)wenn die Türkische Tradition nachgelebt wird : Man treibt die restlichen Tauben aus dem Schlag. Nach dem Landen erhalten die Tauben ihre volle Futterration. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass eine Motivation zur Landung und zu Annäherung der Taube an seinen Besitzer darin besteht, dass die Tauben knapp und auch in der Futterzusammenstellung nicht zu reich gefüttert werden. Es ist nicht einfach ,die vielen Türkischen Tauben auseinander zu halten, weil sie unterschiedliche Namen haben, die in der Regel lediglich auf die Gefiederfarbe und Zeichnung deuten. Dass die Tauben sich farbe-bedingt im Aussehen leicht unterscheiden, ist verständlich. Kelebek bedeutet “Schmetterling“ und bezieht sich auf das lockere Stichfliegen mit individuellen Flugfiguren, wodurch es aussieht, als ob die Fluggruppe  mit offenem Flügelschlag “am Himmel tanzt“ .Vielleicht ist diese Bezeichnung irreführend, denn Kelebek sind ganz rasante Flieger, die mit 3 oder 5 Tauben in der Regel gestartet werden. Mehr scheint auch wenig sinnvoll, denn Kelebek sind schnelle Solisten am Flugtaubenhimmel ,und der Mensch hat nur 1 Paar  Augen, um sie in alle Richtungen verfolgen zu können. Kelebek verlieren beim Aufsteigen wenig Zeit und gewinnen schnell an Höhe. Sie fliegen in mittlerer Höhe oder steigen bei günstiger Wetterlage, bis der Flügelschlag nicht mehr erkennbar ist. Dann fangen sie mit ihrem “ Freestyle “ an : Die Tauben gehen eigenen Flugrichtungen und Figuren nach, wobei sie schnell, fast hakenartig die Richtung wechseln. Axiale Körperdrehungen unter schnellem Flügelschlag gerne gesehen werden, die als rassetypisch gelten. Auch variieren sie gerne die Fluggeschwindigkeit. Die Körperdrehungen nach links oder rechts werden auf horizontaler Ebene geschätzt, wobei gesagt werden muss, dass bei leichte Auf-und Abwärtsbewegungen nicht nur natürlich ist, sondern unter Umständen die Tauben dann diese ihnen typische Flugfigur am besten vorführen. Die Tauben wenden und drehen bzw. leisten nicht nur nach der Wetterlage, die in diesem Sommer optimal war, sondern auch nach der Linie, aus der sie stammen. Die Figuren können also immer etwas differenzieren, was legitim erscheint, denn nicht alles muss nach deutschem Einheitsmaß geschehen-der Kelebek fliegt eben individuell. In der Europäischen-Flugroller-Union werden sie in Gruppen von fünf geflogen, gewertet werden die Flugartistik und ein (nach Lockbeginn)einwandfreies Sturzfliegen aller Tauben. Über die Flugdauer werden unterschiedliche Angaben gemacht, sogar auch längere Zeiten, jedoch scheint eine Flugdauer von 15 bis 30 Minuten unter hoher Leistung logisch. Durchaus ist es möglich, dass die Tauben ein zweites mal aufsteigen, wenn sie “gut drauf sind“ und das Wetter günstig ist. Dann verlängert sich natürlich die Flugdauer, damit sich die Tauben ausfliegen können. So gesehen eignen sich die Kelebek für Taubenfreunde ,die sich nicht stundenlang mit den Tauben beschäftigen wollen(oder können),sondern nach getaner Flugarbeit, die Tauben in den Schlag treiben und sich anderweitig beschäftigen  müssen, wie ich beim DFC-Mitglied Werner Wagner in Zusamaltheim beobachten konnte. Übrigens hat er ein weiteres Kriterium für das Fliegen mit den Kelebek parat: Er wohnt am Waldrand, wo die Greifvögel nicht weit sind .Der unberechenbare und individuelle Flug im Freestyle der Kelebek macht es den Greifen nicht leicht, solche Tauben zu jagen, die schnell ihre Richtungen wechseln. Odemann (1995)berichtet davon ebenfalls. Die Kelebek haben eine sehr gute Orientierung, nur bei Nebel sollte man sie nicht fliegen. Tägliches Training ist vorteilhaft. Wird der Flug beendet, so wird dafür vom Züchter das Zeichen gesetzt, indem er seine anderen Tauben auf den Platz vor dem ebenerdigen Taubenschlag treibt. Nun zeigt sich eine weitere Eigenart des rasant fliegenden Kelebek-Flug`s : Es sind schließlich Sturzflieger! Wie Steine fallen sie vom Himmel, einer nach dem anderen, drehen ihre lockeren Spiralen in vielfältiger Weise, dann ein, zwei Kurven, um die Landung anzusteuern, dann bremsen sie stark ab, um in der Taubengruppe am Boden zu landen. Den Tauben sieht man ihre hochathletischen Leistung an. Sie hecheln mit geöffnetem Schnäbeln, erholen sich jedoch wieder bald, um zwischen ihren Artgenossen Körner aufzunehmen, die als Belohnung vom Züchter gereicht werden. Die Bodenhaftigkeit der Kelebek beeindruckt. Gut trainiert landen sie nur dort. An diesem“zentralen Treffpunkt“ den Landungsplatz, muss man die Kelebek schon früh gewöhnen, damit sie von jung an, nur diesen Platz ansteuern. Diesen kann man einfachheitshalber, auch auffällig farbig gestalten! Das landen an fremden Plätzen (Dächern, Schuppen)ist verpönt. Diese Tauben werden selektiert. Dann gibt es, für den es betrifft, auch keinen Ärger mit den Nachbarn. Auf die Farbschlagvielfalt gehe ich nur ungern ein, denn der Kelebek ist in erster Linie eine reine Flugtaube. Aber auch dieses Thema zur Rasse, und leider scheint es derzeit so zu sein, dass die Züchter in der Türkei schön gezeichnete Kelebek in Volieren halten und auf das Fliegen verzichten. Das wäre schade und nicht Sinn einer Flugtaubenrasse. Die Basisfarbe der Kelebek ist meistens weiß, kombiniert mit einer Zeichnung, die zum Beispiel aus einer Weißkopf-Elsterzeichnung besteht. Sie kann zu einer Ganselzeichnung mit Latz und farbigen Backen sowie eventuell einer Schnippe auf der Stirn tendieren. Wird die Taube immer weißer, dann löst sich die Elsterzeichnung auf und bleiben farbige Backen, ein farbiger Schwanz und eine Nackenzeichnung erkennbar. Diese Zeichnung sieht in Perfektion sehr apart aus; sie zeigt einen durchgehenden Bart von einer zur anderen Kopfseite. Solche einwandfreie Tauben zu besitzen, ist schon eine Besonderheit und wohl der Grund, dass man die Tauben in Volieren hält. Verbreitet sind in und um die Städte Balikehrsir, Manisa, Mustafakemalpasa und Bursa. Das gilt für eine andere Zeichnungsart, die an den Dunek erinnert, die Mönchzeichnung, bei der Kopf, Schwingen, Schwanz und Fußbefiederung weiß sind. Diese Weißköpfe nennt man auf türkisch “ akbas “. Eine weitere, recht seltene Zeichnungsart sind die Farbenköpfe : mit farbigem Kopf, farbigem Schwanz und zwischendrin vielleicht noch etwas Farbe auf weißem Grund. Ihre Vererbung scheint spalterbig zu sein, da aus ihrer Verpaarung auch weiße und farbige Tauben fortkommen. Sie sollen hauptsächlich in und um Istanbul verbreitet sein. Eine nächste, aparte Zeichnungsart sind farbige Kelebek mit Perlaugen und einem weißen Halsring, die mich an Tauben mit einem ähnlichen Zeichnungsmuster erinnern, Tümmler aus der ostbulgarischen Stadt Schumen! Dort erzählte man mir auf dem Taubenmarkt, dass von türkischen Taubenzüchtern jedes Jahr Schumener Tümmler gekauft und in die Türkei gebracht werden. Wer weiß, sind beide Rassen sogar verwandt ? Schließlich möchte ich die Weißkopf-Kelebek nennen, die wir als schwarze Rieselköpfe bezeichnen. Aufgrund der verschiedenen Zeichnungsmuster sind die Augen der Kelebek dunkel oder perlfarbig und können durch die Verpaarung variieren, zweifarbig oder gebrochen sein. Das sollte im Grunde nicht weiter stören, bei einer ausgesprochenen Flugtaubenrasse! Eine Selektion auf Farben, Zeichnung oder Augen ist erst mit den Jahren nach und nach realisierbar. Zuerst muss das typische Flugbild der Kelebek stimmen, und das gelingt nur durch einen intensiven Umgang, Geduld, regelmäßiges Flugtraining und konsequente Selektion, sowie viel Liebe zu den besonderen “ Schmetterlingen „ aus der Türkei. Wie der Kelebek-Flug zum Erlebnis werden kann, beschreibt S.Akbulut 1991 in der Geflügelbörse: “In Mustafakemalpasa hat sich nur Herr Fidan bereit erklärt, uns seine Tiere vorzufliegen. In seinem Hof hat er fünf kleine Schläge stehen mit über 300 Tieren in allen erdenklichen Farben. Er jagte mit einem cirka drei Meter langem Stock alle auf einmal in die Höhe, so dass der Himmel über uns von Kelebek wimmelte. Diese flogen kreuz und quer am Himmel und zeigten ihre Kunststücke, manche bohrten sich horizontal, manche senkrecht drehend wie eine Schraube in den Himmel. So viele Tauben auf einmal im Flug zu sehen, hat mich wirklich begeistert. Das schönste war aber, dass er sie nach dem Anlocken innerhalb von fünf Minuten sauber getrennt, im Schlag hatte. Ja, hier sind wahre Spezialisten zu Gange, die mit viel Liebe zu den Tieren ihr Handwerk in Sachen “ Kunstflug “ verstehen und uns ein Vorbild sein sollten .                                 dk

 

Geflügel-Börse 20/2003